Entwicklern mit Liebe zur Musik wollen wir heute ein besonderes Projekt vorstellen.
Wer iTopnews genau liest weiß, dass ich, Lukas, nicht nur ein Faible für iPhones, iPads und Macs habe, sondern auch eines für elektronische Musik. Umso begeisterter war ich, als ich sah, dass ein neues Produkt für modulare Synthesizer diese beiden Dinge auf neue Weise verbindet.
TBD: Ein neuartiges Eurorack-Modul
Das TBD von Instruments of Things ist ein Modul im Eurorack-Format, dem beliebtesten Format für modulare Synthesizer. Es basiert auf einem ESP-32 Mikroprozessor, auf dem eine Open-Source-Software für Musik installiert ist.
Diese Software kann zur Klangerzeugung wie auch zur Klangbearbeitung durch Effekte und ähnliches verwendet werden. Daher auch der Modulname: TBD steht kurz für „to be determined“ (dt. „noch zu bestimmen“) – je nach Wunsch des Nutzers kann das Modul zu dem werden, was er oder sie will.
Mit einer Benutzeroberfläche im Browser Eures Macs oder iPhones können verschiedene solcher Plugins aufgerufen und gesteuert werden. Wie das genau abläuft, erklären wir weiter unten im Detail, aber vorher noch ein wenig zur Geschichte und der Idee des TBD.
CTAG, Instruments of Things und Open Source
Seinen Ursprung hat das Gerät in der Arbeitsgruppe Creative Technologies (CTAG), die von Studierenden und Personal der Fachhochschule Kiel getragen wird. Hauptverantwortlicher ist Prof. Robert Manzke, der mit seinen Studierenden die Grundlagen der TBD-Software als praktisches Projekt entworfen hat.
Ein weiteres beispielhaftes Erzeugnis der CTAG-Gruppe ist der Strämpler, ein Sampler im Eurorack-Format, der Musik via WLAN streamen und live in Kombination mit anderen Sounds und Synth-Modulen verarbeiten kann. Hier ein Foto – ganz unten findet Ihr auch ein Demovideo.
Das TBD ist ein CTAG-Projekt, das für den Verbrauchermarkt weiterentwickelt wurde. Dafür verantwortlich ist das ebenfalls in Kiel ansässige Unternehmen Instruments of Things. Es machte bereits mit dem Eurorack-Modul 2.4SINK auf sich aufmerksam. Dieses nutzt ebenfalls einen Mikrochip, der Bluetooth-Daten von Sendern empfängt, welche vom Musiker vor seinem modularen Instrument bewegt werden und dieses so ansprechen können.
Obwohl es professionell und in Serie gebaut wird, sollte aber niemand, der sich das neue TBD-Modul kauft, ein endgültig fertiges Produkt erwarten. Darin liegt kein Makel, sondern das ist Programm.
Ein kollaboratives Projekt
Denn wie der Name auch suggerieren soll, ist das TBD auf lange Sicht softwareseitig „to be determined“. Heißt: Es ist eine offene Plattform für Experimente, Ideen und kollaboratives Arbeiten von Programmierern und Musikern. Seine Software und somit seine klanglichen Möglichkeiten sollen dank der Open-Source-Architektur nach und nach wachsen und tun das auch schon.
Neben Robert Manzke und seinen Schaffenspartnern in der CTAG-Arbeitsgruppe sollen dafür am Besten programmierende User des TBD selbst tätig werden. Deshalb hoffen die Macher auf eine stetig wachsende und langfristig aktive Community. Sie kommt auf Github zusammen, wo unter diesem Link der Projektcode zu finden ist. Wenn viele mitmachen, könnte das TBD zu einer echten Allzweckwaffe im Eurorack-Bereich werden.
TBD: Das kann die Soft- und Hardware – bis jetzt
Aber natürlich wollen alle, die mit dem Modul direkt auch Musik machen möchten, wissen, was es schon kann. Die Antwort lautet: jede Menge!
Zum Setup: Das TBD kommt wie jedes Eurorack-Modul mit Schrauben für die Rackmontage im Lieferumfang. Außerdem ist ein Antennenaufsatz mit dabei, der am Modul befestigt wird. Über diesen wird das TBD zum WLAN-Punkt, der mit Macs und iPhones kommunizieren kann. Sobald es Strom erhält, taucht es als Station in Euren WLAN-Listen der macOS-/iOS-Einstellungen auf.
Steuerung über den Browser des iPhone, iPad oder Mac
Wird sich dann mit ihm verbunden, kann im Browser die Adresse „ctag-tbd.local“ aufgerufen werden und er zeigt dann ein Steuerungsinterface für die Funktionen des Moduls an. Nun kann eingestellt werden, mit was für einem Plugin welche Art der Klangerzeugung oder -bearbeitung geleistet werden soll (s.u.).
Dafür ist nun wichtig zu wissen, dass das TBD zwei Mono-Kanäle (0 und 1) hat, die alternativ zu einem Stereo-Kanal werden. Sie können Signale aufnehmen und ausgeben. Zudem können bestimmte Funktionen über zwei Trigger-Eingänge ausgeführt werden und Parameter via Steuerspannung (CV) durch zwei Eingänge moduliert, also live verändert werden.
Im Foto unten ist etwa ein Kabel in einen CV-Eingang gesteckt worden, um eine Melodie an ein Plugin und dann ins Mischpult schicken zu können. Darüber sind die Trigger-Eingänge und links die Kanaleingänge für Audio zu sehen. Ebenfalls gibt es noch Buttons zum manuellen Triggern und vier Drehregler, von denen zwei für Gain verantwortlich sind und zwei im Browser frei eingestellt werden können.
Über das Web-Interface stellt Ihr zunächst ein, welches Stereo-Plugin oder welche zwei Mono-Plugins ihr aktiv mit dem TBD nutzen wollt. Dann könnt Ihr deren Parameter in einem zweiten Fenster mit Reglern und Schaltern einstellen. Bei den meisten Plugins stehen dabei viele Parameter zur Auswahl. Sie können allesamt, wie schon angedeutet, über Menüs mit den CV- und Trigger-Eingängen gekoppelt werden, damit der Sound nicht nur im Browser, sondern auch im Rack via Kabel und Regler bearbeitet werden kann.
Viele Synth-Sounds und Effekte
Plugins können dabei jederzeit gewechselt und ihre Einstellungen für später als Presets gespeichert werden. Bei einem Software-Update können sie exportiert werden, damit sie erhalten bleiben.Diese Preset-Funktion ist enorm sinnvoll, denn es gibt einige Plugins und noch mehr verschiedene Nutzen für sie.
Grob gesagt können die Plugins in Synth-Sounds und Effekte eingeteilt werden. Aktuell sind meiner Meinung nach vor allem die Effekte leicht zugänglich und kreativ nutzbar: Das TBD bietet geniale Halleffekte, einen subtilen Chorus, ein sehr detailliert einzustellendes Delay und mehr. Auch Soundeffekte wie kratzendes Vinyl können für Hintergrundatmosphäre aktiviert werden.
Aber auch im Sound-Bereich tut sich einiges. Es gibt von Ports bekannter Module der Firma Mutable Instruments über simple Sinuswellen für Bassdrum-Sounds alles. Und: Allein in dem knappen Monat, in dem wir das Gerät jetzt testen konnten, kamen mehrere Plugins dazu, darunter ein vielseitiger Makro-Oszillator und sogar eine Emulation der TB-303 für Acid-Basslinien. Und weitere sind in Planung!
Wer dabei mitwirken will, ist dazu von der wachsenden Entwickler-Community rund um das TBD herzlich eingeladen. Man sollte Programmierkenntnisse in C++ haben, um mitzuwirken, aber absolutes Hexenwerk ist es auch nicht.
Wichtig: Das richtige USB-Kabel
Ist einmal die ESP-Entwicklungsumgebung auf dem Computer eingerichtet und die Architektur des TBD verstanden, können mit enorm wenigen Zeilen Code komplexe Musik-Plugins entwickelt werden. Wichtig ist nur, ein Micro-USB-Kabel mit Datengeschwindigkeit parat zu haben, um das TBD – wie unten zu sehen – mit dem Mac zu verbinden und die Software via Kommandozeilenbefehl auf das Gerät zu spielen. Mitgeliefert wird keines.
Helferbibliotheken für mathematische Funktionen – immerhin sind digitales Audiosignale nichts anderes als Wellenformen, die manipuliert werden – gibt übrigens zur Orientierung genauso wie natürlich die Open-Source-Plugins, die bereits für das TBD fertiggestellt wurden. Sie können im Zweifelsfalls als Hilfe und Inspiration dienen, genauso wie der übersichtliche Codewalk auf dem Youtube-Kanal der CTAG-Arbeitsgruppe, den wir unten noch einbinden.
Abschließen will ich mit einem Fazit und dann dem Demovideo des TBD von Instruments of Things, das einige seiner Plugins in Aktion zeigt. Darin wird auch in einem Tutorial-Abschnitt gezeigt, wie zwischen Plugins gewechselt wird, was ich auch oben kurz beschrieben habe.
Fazit
Wir sind vom Projekt TBD enorm überzeugt und hoffen, dass es eine lange Zukunft dank aktiver Mitwirkender vor sich hat. Dann kann es zu einem wahren Schweizer Taschenmesser für modulare Synthesizer wie auch zu einer musikalischen wie auch programmiertechnischen Spielwiese werden.
Auch ist zu hoffen, dass mit der Zeit sowohl die Bedienoberfläche wie auch die Einstellungen in diesem Zuge noch etwas übersichtlicher und intuitiver werden. Man kann bereits jetzt gut mit ihnen experimentieren, aber sie stürzen in Safari unter macOS doch hin und wieder ab oder bleiben hängen. Zudem sind nicht alle Paramenter immer selbsterklärend und auch nicht entsprechend dokumentiert. Ist das irgendwann einmal geschehen – woran ich übrigens auch selbst mitwirken will! – dann wird das TBD sicherlich bald ein Modul werden, an dem niemand vorbeikommt, gerade auch dank seines mehr als fairen Preises sowie seiner hochwertigen Verarbeitung.